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LAG Düsseldorf, Az. 3 SLa 224/24 zum Direktionsrecht des Arbeitgebers: Kündigung wegen der Verweigerung des Tragens einer roten Arbeitsschutzhose

Posted in Allgemein, Arbeitsrecht, and Persönlichkeitsschutz

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 3 SLa 224/24 / Vorinstanz: Arbeitsgericht Solingen, 1 Ca 1749/23

Leitsätze:

1. Der Arbeitgeber eines Produktionsbetriebes ist kraft seines Direktionsrechts aus § 106 GewO berechtigt, die Arbeitnehmer der Produktion und der produktionsnahen Bereiche anzuweisen, eine von ihm gestellte Arbeitsschutzhose in roter Farbe zu tragen, wenn die Farbwahl neben dem Umstand, dass der Firmenschriftzug gleichfalls seit jeher in roter Farbe geführt wird (Argument der „Corporate Identity“), zusätzlich dadurch begründet ist, dass die Signalfarbe Rot bewusst zur Verbesserung der Arbeitssicherheit im Hinblick auf die Risiken durch Gabelstaplerverkehr in den Produktionsbereichen gewählt wurde.

2. In einer solchen Anordnung liegt zwar ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers. Dieses wird jedoch nur im Bereich der Sozialsphäre betroffen. Lehnt der Arbeitnehmer das Tragen einer Arbeitsschutzhose der Farbe Rot ohne jede nähere Begründung und letztlich somit „aus Prinzip“ ab, die er zuvor jahrelang unbeanstandet getragen hat, setzt sich in der im Rahmen der Billigkeitsprüfung vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung das Interesse des Arbeitgebers an einer Verbesserung der Arbeitssicherheit und der Schaffung einer Corporate Identity durch.

3. Verweigert der Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der somit wirksamen Anordnung trotz mehrerer Personalgespräche und zweier Abmahnungen unverändert das Tragen einer roten Arbeitsschutzhose, rechtfertigt dies zumindest die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Das LAG Düsseldorf hatte die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgericht Solingen mit nachfolgender Begründung zurückgewiesen:

Tatbestand

2

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Anweisung zum Tragen einer roten Arbeitsschutzhose, die Berechtigung des Klägers, sich der Anweisung zu verweigern sowie daraus resultierenden Abmahnungen vom 03. und 23.11.2023, über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die dann ausgesprochene arbeitgeberseitige, ordentliche Kündigung vom 27.11.2023 zum 29.02.2024 und über den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

3

Der Kläger war seit dem 01.06.2014 bei der Beklagten, die in ihrem R. Betrieb regelmäßig etwas mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt und bei der kein Betriebsrat besteht, als Mitarbeiter im Produktionsbereich gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.800,00 € tätig. Er war im Bereich Produktion/Montage – zuletzt in der Abteilung Produktion Betriebsmittel/Produktionstechnik – beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählten insbesondere die Verarbeitung von Aluminium-Konstruktionsprofilen zu Betriebsmitteln, das Arbeiten mit Kappsägen und Akkubohrern zur Montage und zum Zuschneiden der Profile sowie kniende Arbeiten auf dem Boden, vor allem bei der Montage. Nach der Einlassung des Klägers in der mündlichen Berufungsverhandlung wirkte er als Mitarbeiter der Instandhaltung in den letzten Monaten vor der Kündigung im Keller an der Neukonstruktion einer Maschine mit. Er hatte Zugang zu und bewegte sich je nach Einsatz und Notwendigkeit in allen Hallenbereichen und damit auch in solchen, in denen Gabelstapler fahren.

4

Bei der Beklagten gilt eine Hausordnung. Im September 2023 machte sie eine Neufassung der Hausordnung mit Wirkung ab 01.10.2023 bekannt, wegen deren Inhalts auf die Anlage vangard 1 (Blatt 65 ff. der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen wird. Diese enthielt unter anderem unter Ziffer 7 auszugsweise wörtlich folgende Regelungen:

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„7. Arbeitskleidung

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7.1 Funktionskleidung

7

Jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter repräsentiert item und soll unmittelbar so wahrgenommen werden.

8

Für alle betrieblichen Tätigkeiten in Montage, Produktion und Logistik stellt item funktionelle Arbeitskleidung nach den Vorgaben des item Corporate Designs zur Verfügung. Diese Kleidung ist bei den o.g. Tätigkeiten aus Gründen der Funktionalität und der Arbeitssicherheit zu tragen. Dies gilt auch für die produktionsnahen Aufgaben der Instandhaltung, des Gebäudemanagements sowie der Qualitätssicherung.

9

Diese Arbeitskleidung wird den Mitarbeitenden einschließlich der Teamleitungen zum Tätigkeitsbeginn nach den unten aufgelisteten Modalitäten gestellt. Sie ist bei der Ausübung der Arbeit zu tragen und wird zentral bestellt und geliefert. […]

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7.1.1 Betriebliche Kleidung

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Die Grundausstattung besteht aus:

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2 Hosen, Grundfarbe rot

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2 Sweatshirts, grau

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5 Oberteilen (wahlweise T-Shirts oder Polohemden), grau

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[…]“

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Rote Arbeitshosen sind bei der Beklagten nicht erst seit dieser Neufassung der Hausordnung im Einsatz, sondern schon mindestens seit Beginn des Arbeitsverhältnisses des Klägers, der sie in der Vergangenheit auch beanstandungslos getragen hat.

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Am 04.10.2023 erschien der Kläger jedoch statt mit der roten Arbeitshose mit einer schwarzen Hose. Er wurde angewiesen, ab sofort die rote Arbeitshose zu tragen.

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Am Folgetag erschien der Kläger erneut nicht in der roten, sondern in einer dunklen Arbeitshose. Trotz erneuter Aufforderung zum Tragen der roten Arbeitshose und eines diesbezüglichen Personalgesprächs am 19.10.2023 hielt sich der Kläger weiterhin nicht an diese Anordnung. Darauf wurde er von der Beklagten mit Schreiben vom 03.11.2023, wegen dessen Wortlauts auf die Anlage zur Klageschrift (Blatt 6 f. der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen wird, abgemahnt.

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Im unmittelbaren Anschluss an diese Abmahnung befand sich der Kläger vom 06.-20.11.2023 im Urlaub. Nach Urlaubsrückkehr erschien er sowohl am 21. wie auch am 22.11.2023 statt mit der roten Arbeitshose mit einer privaten dunklen Hose. An beiden Tagen wurde er jeweils für den restlichen Arbeitstag freigestellt und sodann mit Schreiben vom 23.11.2023, wegen dessen Wortlauts auf die weitere Anlage zur Klageschrift (Blatt 8 f. der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen wird, abgemahnt.

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Nachdem der Kläger trotzdem am Freitag, 24.11.2023 erneut nicht in der roten Arbeitshose am Arbeitsplatz erschien, sprach die Beklagte ihm gegenüber mit Schreiben vom 27.11.2023 die ordentliche, fristgerechte Kündigung zum 29.02.2024 aus (Blatt 19 der erstinstanzlichen Akte).

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Mit am 27.11.2023 bei dem Arbeitsgericht Solingen eingegangener und der Beklagten am 02.12.2023 zugestellter Klageschrift hat der Kläger sich zunächst gegen die Abmahnungen und die Anordnung zur Verrichtung der Arbeit in einer roten Arbeitshose gewandt. Mit Klageerweiterung vom 01.12.2023, der Beklagten am 06.12.2023 zugestellt, hat er Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung vom 27.11.2023 erhoben und diese später noch um einen Weiterbeschäftigungsantrag erweitert. Der Kläger hat bestritten, dass die zur Verfügung gestellte rote Arbeitshose besondere arbeitsschutzrechtliche Vorgaben erfülle. Zu seinen Beweggründen hat er vorgetragen, er möge keine roten Hosen und sei der Ansicht, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers sich nicht auf die Farbe der Hose erstrecke.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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1. festzustellen, dass die Abmahnungen vom 23.11.2023 und vom 03.11.2023 unberechtigt sind und den Arbeitgeber zu verpflichten, sie aus seiner Personalakte zu entfernen;

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2. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, seine Arbeit in einer roten Hose zu verrichten;

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3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 27.11.2023 sein Ende findet;

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4. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat behauptet, bei der roten Arbeitshose handle es sich um eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) gemäß der Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstungen. Die Hose enthalte einen Knieschutz für Arbeiten in kniender Haltung und entspreche Typ 2, Leistungsstufe 1 nach EN 14404:2004+A1:2010. Ein Knieschutz des Typs 2 beinhalte Schaumkunststoff oder andere Polster in Taschen, an den Hosenbeinen oder ständig an der Hose befestigte Polster. Leistungsstufe 1 bedeute, dass der Knieschutz für eine ebene oder unebene Bodenoberfläche geeignet sei und Schutz gegen Durchstich bei einer Kraft von (100±5) N biete. Hierzu hat die Beklagte auf das Produktdatenblatt der Arbeitsschutzhose (Blatt 69 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen. Hintergrund der Anordnung zum Tragen der roten Arbeitshose sei die Gewährleistung der Arbeitssicherheit. Neben dem Umstand, dass die zur Verfügung gestellten Arbeitshosen Arbeitsschutzkleidung im vorstehend genannten Sinne seien, diene die Farbe rot als gut erkennbare Signalfarbe der Sichtbarkeit und damit dem Schutz der Mitarbeiter in den Produktionsbereichen. Darüber hinaus diene die einheitliche Kleidung der Mitarbeiter in der – roten – Farbe des Unternehmenslogos des bereits 1976 gegründeten Unternehmens der Wahrung der Corporate Identity und der unmittelbaren Erkennbarkeit der eigenen Arbeitnehmer im Produktionsbereich in Abgrenzung zu Fremdmitarbeitern. Letzteres sei unter anderem erforderlich zur Wahrung des Status eines „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ nach der AEO-Verordnung.

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Das Arbeitsgericht Solingen hat die Klage mit Urteil vom 15.03.2024 als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Unzulässig seien die Anträge auf Feststellung der fehlenden Berechtigung der Abmahnungen und der Antrag auf Feststellung, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, bei der Arbeit eine rote Hose zu tragen. Insoweit fehle das besondere Feststellungsinteresse. Die weiteren Anträge seien zwar zulässig, aber nicht begründet. So sei die Kündigungsschutzklage unbegründet, da die streitgegenständliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sei. Durch die Weigerung des Tragens der zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung habe der Kläger gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Die Anordnung zum Tragen einer roten Arbeitshose sei vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt gewesen. Grundsätzlich sei es vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt, Vorgaben zu einer branchenüblichen bzw. betriebseinheitlichen Kleidung zu machen. Bei der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Interessen sei die Intensität der umstrittenen Freiheitsbeschränkung genauso zu berücksichtigen wie die von den Vertragspartnern durch den Abschluss des Vertrags selbst eingeräumte Begrenzung ihrer grundrechtlichen Freiheiten, der Rang und das Gewicht des mit dem Eingriff verfolgten Ziels sowie die spezifische Bedeutung und der spezielle Gehalt des betroffenen Grundrechts bzw. der kollidierenden Grundrechtspositionen in Bezug auf den umstrittenen Regelungskonflikt. Dabei sei in tatsächlicher Hinsicht vom gesamten – auch streitigen – Vortrag der Beklagten auszugehen. Denn der Kläger habe die Behauptung der Beklagten, es handle sich bei der roten Hose um Arbeitsschutzkleidung, nicht hinreichend bestritten. Soweit er allgemein den Charakter einer Arbeitsschutzkleidung verneint habe, habe die Beklagte diesem Vortrag konkret die Schutzklasse nach Typ und Leistungsstufe unter Verweis auf das Datenblatt entgegengesetzt. Diesem Vortrag sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten, so dass der Vortrag der Beklagten als zugestanden zu werten sei. Die Beklagte habe eine vom Direktionsrecht gedeckte Weisung im Hinblick auf die einheitliche Arbeitskleidung vorgegeben. Sie habe diese durch ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit auch nachvollziehbar in dreifacher Hinsicht mit der Notwendigkeit des Arbeitsschutzes, der Wahrung der Corporate Identity und der Notwendigkeit der unmittelbaren Erkennbarkeit der eigenen Mitarbeiter im Produktionsbetrieb nachvollziehbar begründet. Demgegenüber habe der Kläger einen höher zu gewichtenden Eingriff in ihm zur Seite stehende Grundrechtspositionen – in Betracht komme letztlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht – nicht dargelegt. Er habe sich nur darauf berufen, dass er keine roten Hosen möge. Diese offenbar allein das ästhetische Empfinden des Klägers berührende Grundhaltung stelle allenfalls eine marginale Berührung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, die umso weniger intensiv wirke als der Kläger unstreitig zuvor rote Hosen getragen habe. Jedenfalls überwiege das Interesse des Klägers nicht die dargelegten Interessen der Beklagten. Eine negative Prognose sei gleichfalls gegeben. Es sei mit weiteren Verstößen des Klägers gegen die Verpflichtung zur Tragung von Arbeitskleidung zu rechnen. Der erneute Verstoß gegen die Kleiderordnung trotz der beiden erteilten Abmahnungen vom 03. und 23.11.2023 rechtfertige die Prognose zukünftiger Verstöße. Schließlich gehe auch die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers aus. Seine Pflichtverletzung habe er beharrlich und nachdrücklich aufrechterhalten, zudem seien künftig weitere Pflichtverletzungen zu erwarten. Diese spielten sich immer in der Betriebsöffentlichkeit ab, denn der Kläger verweigere offen und für jeden ersichtlich rechtswirksame Weisungen des Arbeitgebers und fordere diesen damit offen heraus. Dies müsse die Beklagte nicht hinnehmen. Nachvollziehbare Gegeninteressen auf Seiten des Klägers seien nicht ersichtlich, so dass trotz der langjährig unbeanstandeten Tätigkeit des Klägers dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Fortsetzungsinteresse des Klägers ein deutlich höheres Gewicht beizumessen sei. Soweit die Abmahnungsanträge im Wege der Auslegung neben der unzulässigen Feststellung auch einen zulässigen Leistungsanspruch auf Entfernung zum Gegenstand hätten, seien sie unbegründet. Der Kläger habe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch mehr auf Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. Ebenso sei der Weiterbeschäftigungsantrag unbegründet.

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Das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen ist dem Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 15.03.2024 zugestellt worden. Er hat mit am 04.04.2024 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

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Der Kläger verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klageziel weiter und rügt vor allem eine fehlerhafte rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht. Es gebe weder eine gesetzliche Pflicht, eine Klausel im Arbeitsvertrag noch eine Betriebsvereinbarung, welche eine Einschränkung seines Persönlichkeitsrechts, wie sie mit der nunmehr von der Beklagten seit Oktober erlassenen Anordnung des Tragens einer roten Arbeitshose erfolgt sei, rechtfertige. Die Anordnung überschreite die Grenzen billigen Ermessens und sei willkürlich. Jedenfalls wiege sein allgemeines Persönlichkeitsrecht schwerer als die von der Beklagten behaupteten betrieblichen Interessen. Der Begründungsansatz der Funktionalität und Arbeitssicherheit vermöge nicht zu überzeugen, soweit die Beklagte wie hier die Farbe und nicht eine bestimmte Schutzklasse der zu tragenden Hose vorgebe. Die Beklagte biete auch kurze Hosen in der Farbe rot an. Diesbezüglich wie auch im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die roten Arbeitshosen nicht geeignet seien, lebenswichtige Organe hinreichend zu schützen. Dass das Risiko, von einem Gabelstapler nicht gesehen zu werden, mit einer roten Arbeitshose signifikant niedriger sei als mit andersfarbigen Hosen, bestreitet der Kläger. Die Vorgabe der Hosenfarbe sei daher nicht sachlich begründet. Ein milderes Mittel wäre die Vorgabe einer bestimmten Schutzanforderung an die Arbeitshose gewesen, ohne eine bestimmte Farbe vorzugeben. Die bislang vom Kläger benutzten Hosen hätten mindestens der Schutzklasse der von der Beklagten gestellten Hosen entsprochen. Zwar habe er früher die roten Arbeitshosen getragen. Die Anordnung durch die Hausordnung sei ihm allerdings nicht korrekt vorgekommen, deshalb habe er sich dieser nunmehr verweigert. Er fühle sich unerträglich unwohl, wenn er eine rote Arbeitshose tragen müsse. Ärztliche Stellungnahmen oder Gutachten, die in diesem Zusammenhang vorgelegt oder vorgetragen werden könnten, gebe es allerdings nicht. Die Begründung der Repräsentationsfunktion gegenüber Dritten könne den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gleichfalls nicht rechtfertigen, denn bis auf die Farbe hätten die von der Beklagten ausgegebenen Hosen kein Alleinstellungsmerkmal oder besonderes Erkennungsmerkmal. Die einheitliche Hosenfarbe habe anders als etwa ein Firmenlogo auf Oberteilen allenfalls eine marginale Repräsentations- und Wiedererkennungsfunktion. Zudem habe der Kläger während seiner Arbeit im Betrieb der Beklagten praktisch keinen Kundenkontakt – außer wenn Kunden die Werkshalle besuchten. Die optische Abgrenzung eigener von im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen tätig werdenden Fremdarbeitern sei weder erforderlich noch sinnvoll. Eine Repräsentationsfunktion werde damit gleichfalls nicht erfüllt. Schließlich habe die Beklagte auch in der Vergangenheit keinen Wert auf einheitliche Dienstkleidung gelegt und ihm das Tragen eigener Arbeitskleidung freigestellt. Sein Ansinnen, dies weiter so zu handhaben, begründe keinen Pflichtverstoß, keine Abmahnung und keine Kündigung. Dementsprechend bestehe auch unverändert ein besonderes Feststellungsinteresse für seine Feststellungsanträge. Diese seien wie auch die Leistungsanträge begründet.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 15.03.2024 – Az.: 1 Ca 1749/23 – abzuändern und

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1. festzustellen, dass die Abmahnungen vom 03.11.2023 und vom 23.11.2023 zu Unrecht erfolgten und die Beklagte zu verpflichten, die Abmahnungen aus seiner Personalakte zu entfernen;

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2. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, seine Arbeit in einer roten Hose zu verrichten;

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3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche ordentliche Kündigung vom 27.11.2023 nicht zum 29.02.2024 geendet hat;

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4. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

41

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hält die Berufung mangels hinreichender Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen bereits für unzulässig. Jedenfalls sei das Rechtsmittel aber nicht begründet. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass infolge des unzureichenden Sachvortrags des Klägers ihre Darlegungen zum Schutzstandard der ausgegebenen roten Arbeitshosen als zugestanden zu werten seien. Auch zweitinstanzlich bestreite der Kläger den Schutzstandard nicht. Soweit er allerdings behaupte, dass die von ihm getragenen Hosen einen mindestens gleichwertigen Schutzfaktor wie die von ihr zur Verfügung gestellten Arbeitshosen aufwiesen, bestreitet die Beklagte wiederum dieses Vorbringen des Klägers. Erneut hinzuweisen sei zudem auf die Signalfarbeneigenschaft der Farbe rot, die der Sichtbarkeit und damit dem Schutz der Mitarbeiter im Produktionsbereich, in dem – unstreitig – auch Gabelstapler fahren, diene. Durch die Aushändigung einheitlicher Arbeitshosen entsprechend des Produktdatenblatts gebe die Beklagte auch die Schutzklasse vor und stelle somit sicher, dass die von den bei ihr beschäftigten Mitarbeitern getragenen Arbeitshosen ein gleichwertiges Schutzniveau erreichten. Dabei könnten die Beschäftigten frei zwischen Latz- und Bundhosen wählen. Kurze Hosen würden zwar im Sommer auch zur Verfügung gestellt, allerdings werde das Tragen solcher Hosen nur nach Einzelfallabwägung im Hinblick auf den jeweiligen Arbeitsplatz und die sicherheitsrechtlichen Anforderungen gebilligt. Schließlich verweist die Beklagte erneut auf die weiteren sachlichen Erwägungen der Corporate Identity und der unmittelbaren Erkennbarkeit der eigenen Mitarbeiter und vor allem darauf, dass keinerlei gewichtige Gegeninteressen des Klägers erkennbar oder von ihm behauptet seien.

42

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

43

Die Berufungskammer hat die von der Beklagten als Anlage 2 zur Berufungserwiderung zur Verfügung gestellten Ablichtungen der roten Arbeitshosen im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung gemeinsam mit den Parteien in Augenschein genommen, ebenso ein von dem Klägervertreter vorgelegtes Foto einer kurzen roten Arbeitshose.

44

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:

45

I.

46

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist angesichts des Streits der Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 27.11.2023 bzw. die hiermit unmittelbar im Zusammenhang stehende Weiterbeschäftigungspflicht der Beklagten und des im Übrigen deutlich über 600,- € liegenden Rechtsmittelstreitwertes statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b), c) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt sich die Berufungsbegründung auch hinreichend inhaltlich mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen auseinander und greift tragend die rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts zur Güter- und Interessenabwägung bei der rechtlichen Überprüfung der Anordnung zum Tragen einer roten Arbeitshose an. Von dieser Abwägung wiederum hängt die Begründetheit aller weiteren geltend gemachten Ansprüche ab. Zur Frage der teilweisen Unzulässigkeit von Klageanträgen vertritt der Kläger zwar nur knapp, aber für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ausreichend begründet eine abweichende Rechtsansicht.

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II.

48

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Vielmehr ist dem Arbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen, dass die form- und fristgerecht im Sinne der §§ 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage nicht begründet ist. Die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2023 ist aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, dessen allgemeine Anwendungsvoraussetzungen hier vorliegen, und führt daher zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 29.02.2024. Die allgemeinen Feststellungsanträge zu den beiden Abmahnungen sind ebenso wie der allgemeine Feststellungsantrag zur Berechtigung der Weisung zum Tragen einer roten Arbeitshose mangels besonderen Feststellungsinteresses bereits unzulässig und die Leistungsanträge zur Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte ebenso wie der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag zwar zulässig, aber unbegründet. Denn die Weisung der Beklagten zum Tragen einer roten Arbeitshose gegenüber dem Kläger ist rechtmäßig erfolgt und die auch nach Personalgesprächen sowie zwei einschlägigen Abmahnungen unverändert aufrechterhaltene Weigerung des Klägers, sie zu beachten, begründet damit eine Pflichtverletzung, die angesichts ihrer Beharrlichkeit, der negativen Prognose für die Zukunft und einer gleichfalls nicht zugunsten des Klägers ausfallenden Interessenabwägung zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Letztlich hat der Kläger es hier darauf angelegt, sich bei der Farbe der Arbeitshose, die von ihm jahrelang anstandslos akzeptiert worden ist und für die sich entgegen seiner Ansicht durchaus sachliche Gründe anführen lassen, im Zusammenhang mit der Anordnung in der Neufassung der Hausordnung nunmehr in einen Grundsatzkonflikt mit seinem Arbeitgeber zu begeben. Da der Kläger diesen Konflikt – ohne dass trotz ausdrücklicher Nachfrage zuletzt auch noch in der mündlichen Berufungsverhandlung hierfür irgendwie nachvollziehbare Gründe wie bspw. eine medizinische Indikation vorgetragen worden wären – unversöhnlich auf die Spitze getrieben hat anstatt bspw. die Arbeitshose, die er ja jahrelang zuvor auch schon getragen hat, zunächst „unter Protest“ weiterhin zu tragen und die Berechtigung der Anweisung parallel gerichtlich klären zu lassen, lässt er einem Arbeitgeber, der die Betriebsdisziplin nicht gänzlich aus der Hand geben will, letztlich gar keine andere Wahl als das Arbeitsverhältnis zu beenden. Indem die Beklagte auch das noch unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist getan hat anstatt eine ebenfalls durchaus denkbare fristlose Kündigung angesichts der beharrlichen Verweigerung des Klägers zur Beachtung ihrer Anordnungen auszusprechen, stellt sich ihre Reaktion auf die weiterhin zu erwartenden Pflichtverletzungen auch vor dem Hintergrund der langen und ansonsten unbelasteten Betriebszugehörigkeitszeit des Klägers, aber eben auch seiner unverständlichen Eskalation der Situation als abgewogen und verhältnismäßig dar.

49

Der Berufung kann somit kein Erfolg beschieden sein.

50

Im Einzelnen:

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1. Die form- und fristgerecht im Sinne der §§ 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage ist nicht begründet. Die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 27.11.2023 ist aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, dessen allgemeine Anwendungsvoraussetzungen hier gegeben sind, und auch im Übrigen wirksam, so dass sie das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Einhaltung der im Hinblick auf die Betriebszugehörigkeit des Klägers einschlägigen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB mit Wirkung zum 29.02.2024 beendet hat.

52

a. Die Beklagte begründet ihre Kündigung mit dem Vorwurf der beharrlichen Weigerung des Klägers, ihrer Anordnung zum Tragen einer roten Arbeitshose nachzukommen und stützt sie also auf verhaltensbedingte Gründe.

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Eine Kündigung ist im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (BAG vom 16.12.2021 – 2 AZR 356/21, juris, Rz. 12).

54

Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, ist „an sich“ geeignet, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen und kommt mithin erst recht als verhaltensbedingter ordentlicher Kündigungsgrund in Betracht. Das gilt nicht nur für die Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (hierzu BAG vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, juris, Rz. 29), sondern auch für die Verletzung von Nebenpflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen (BAG vom 28.06.2018 – 2 AZR 436/17, juris, Rz. 16; BAG vom 19.01.2016 – 2 AZR 449/15, juris, Rz. 29) als auch für die Verletzung sonstiger, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsender Nebenpflichten (BAG vom 19.01.2016 – 2 AZR 449/15, juris, Rz. 29). Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will. Das kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn sie trotz ausdrücklicher Aufforderung und einschlägiger Abmahnung weiterhin nicht befolgt werden (vgl. BAG vom 05.04.2001 – 2 AZR 580/99, juris, Rz. 24; APS/Vossen, 7. Auflage, § 626 BGB Rn. 209 m.w.N.).

55

Welche Pflichten den Arbeitnehmer treffen, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweist (BAG vom 28.06.2018 – 2 AZR 436/17, juris, Rz. 16; BAG vom 19.01.2016 – 2 AZR 449/15, juris, Rz. 29; BAG vom 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, juris, Rz. 22; BAG vom 23.08.2013 – 2 AZR 273/12, juris, Rz. 32).

56

b. Gemessen hieran erweist sich die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2023 als sozial gerechtfertigt und wirksam.

57

aa. Der Kläger hat sich seit Anfang Oktober 2023 dauerhaft, bewusst und nachhaltig geweigert, der Pflicht aus Ziffer 7.1 der aktuell im Betrieb gültigen Hausordnung und den entsprechenden, ihm gegenüber erfolgten Anordnungen gemäß eine Arbeitshose der Grundfarbe rot zu tragen.

58

Mit der Regelung unter Ziffer 7.1 Hausordnung übt die Beklagte das ihr als Arbeitgeberin zustehende Direktionsrecht aus und konkretisiert die Arbeitsbedingungen, unter denen die Arbeitsleistung in ihrem Betrieb zu erbringen ist. Das geschieht hier in der Weise, dass sie anordnet, dass die funktionelle Arbeitskleidung, bestehend unter anderem aus einer roten Arbeitshose, für alle betrieblichen Tätigkeiten in der Produktion, aber auch bei den produktionsnahen Aufgaben der Instandhaltung „aus Gründen der Funktionalität und der Arbeitssicherheit“ zu tragen ist (Ziffer 7.1 Absatz 2 der Hausordnung). Der Kläger fiel während seines Arbeitsverhältnisses in den Anwendungsbereich der Anordnung, denn er war im Produktionsbereich bzw. nach seiner Einlassung in der mündlichen Berufungsverhandlung im produktionsnahen Bereich der Instandhaltung beschäftigt.

59

Ziffer 7.1 der Hausordnung und die Anordnung gegenüber dem Kläger zum Tragen einer roten Arbeitshose stellen entgegen seiner Ansicht eine wirksame Konkretisierung der Arbeitsbedingungen, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist, dar.

60

(1) Ziffer 7.1 der Hausordnung und die hierauf basierenden Anordnungen gegenüber dem Kläger zum Tragen einer roten Arbeitshose finden ihre Rechtsgrundlage in § 106 GewO. Danach kann der Arbeitgeber unter anderem den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Nach § 106 Satz 2 GewO umfasst die Anordnungsbefugnis insbesondere auch Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb.

61

Da auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels Betriebsrats keine Betriebsvereinbarungen Anwendung finden und die Anordnungsbefugnis der Beklagten aus demselben Grunde auch keiner mitbestimmungsrechtlichen Beschränkung aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegt, da keine Tarifbindung von den Parteien vorgetragen worden ist und gesetzliche Regelungen zur Vorgabe der Farbe einer Arbeitshose nicht existieren, sind der Anordnung der Beklagten insoweit keine Grenzen gesetzt. Die Berufungskammer geht zudem davon aus, dass selbst das langjährige beanstandungslose Tragen roter Arbeitshosen durch den Kläger nicht zu einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung der Parteien geführt hat. Hierzu liegt kein hinreichender Tatsachenvortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten vor. Das bloße widerspruchslose Tragen bestimmter Arbeitskleidung in der Vergangenheit allein vermag noch nicht die – auch für die Annahme einer konkludenten Einigung – erforderliche Auslegung des Verhaltens des Klägers – wie auch der Beklagten – zu begründen, hierzu mit beiderseitigem Rechtsbindungswillen eine Vereinbarung treffen zu wollen. Anderenfalls würden regelmäßig von dem Arbeitnehmer hingenommene, im Rahmen des Direktionsrechts erfolgende Anordnungen allein schon durch Zeitablauf Vertragsinhalt, was jedoch grundsätzlich weder dem erkennbaren Willen des Arbeitnehmers noch des Arbeitgebers – der sich dann ja nicht mehr durch eine andersartige Weisung, sondern nur noch einvernehmlich oder per Änderungskündigung davon lösen könnte – entspricht. Ebenso wenig wie damit eine arbeitsvertragliche Regelung zur Begründung der Pflicht zum Tragen einer roten Arbeitshose vorliegt, ist umgekehrt aber auch keine diese Anordnung beschränkende vertragliche Regelung feststellbar. Denn dazu tragen die Parteien und hier nun wieder insbesondere der Kläger nichts vor.

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Damit kommt der Beklagten eine Anordnungsbefugnis per Direktionsrecht aus § 106 GewO in den allgemein hierfür geltenden Grenzen – speziell der Ausübung billigen Ermessens – zu.

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(2) Die Anordnung der Beklagten zum Tragen einer roten Arbeitshose in der Produktion und den produktionsnahen Bereichen u.a. der Instandhaltung entspricht billigem Ermessen und erweist sich als wirksam.

64

Die in § 106 GewO (ebenso wie in § 315 Abs. 1 BGB) geforderte Billigkeit wird inhaltlich im Wege der mittelbaren Drittwirkung durch die Grundrechte, hier vor allem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG mitbestimmt. Dieses umfasst das Recht auf freie Wahl seiner Kleidung und damit die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie er sich optisch nach außen wahrnehmbar präsentieren will (vgl. BVerfG vom 03.11.1999 – 2 BvR 2039/99, juris, Rz. 15; Brose/Greiner/Preis, Kleidung im Arbeitsverhältnis – Persönlichkeitsrechtliche Schranken arbeitsrechtlicher Regelungen, NZA 2011, 369, 374; Di Fabio in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, EL 39 (Stand: Juli 2001), Art. 2 Rn. 166 m.w.N.). Kollidiert nun wie hier das Recht der Beklagten, im Rahmen ihrer gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, die auch ihr als juristischer Person nach Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistet ist, den Inhalt der Arbeitsverpflichtung, die Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung sowie das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer näher durch einheitliche Kleidungsvorgaben zu konkretisieren, mit grundrechtlich geschützten Positionen des Klägers, so ist das Spannungsverhältnis im Rahmen der Konkretisierung und Anwendung der Generalklauseln der §§ 106 GewO, 241 Abs. 2, 315 Abs. 1 BGB einem grundrechtskonformen Ausgleich der Rechtspositionen zuzuführen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (praktische Konkordanz: vgl. BVerfG vom 24.11.2010 – 1 BvF 2/05, juris, Rz. 147; BVerfG vom 30.07.2003 – 1 BvR 792/03, juris, Rz. 16 f.; BVerfG vom 18.10.1993 – 1 BvR 1044/89, juris, Rz. 46; BAG vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12, juris, Rz. 46; BAG vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, juris, Rz. 40). Bei dieser Abwägung ist die Intensität der umstrittenen Freiheitsbeschränkung genauso zu berücksichtigen wie die von den Vertragspartnern durch den Abschluss des Vertrags selbst eingeräumte Begrenzung ihrer grundrechtlichen Freiheiten, der Rang und das Gewicht des mit dem Eingriff verfolgten Ziels sowie die spezifische Bedeutung und der spezielle Gehalt des betroffenen Grundrechts bzw. der kollidierenden Grundrechtspositionen in Bezug auf den umstrittenen Regelungskonflikt (BAG vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, juris, Rz. 40).

65

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts differenziert beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht zwischen verschiedenen Schutzsphären (vgl. BVerfG vom 06.11.2019 – 1 BvR 16/13, juris, Rz. 80 ff.; BVerfG vom 29.06.2016 – 1 BvR 3487/14, juris, Rz. 14; ausführlich hierzu ferner Di Fabio in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, EL 39 (Stand: Juli 2001), Art. 2 Rn. 157 ff. m.w.N.), nämlich die als unantastbar geltende Intimsphäre als den Kernbereich privater Lebensführung, die nachgelagerte Privat- oder Geheimsphäre, bei der Eingriffe zwar nicht ausgeschlossen sind, aber strengen Vorgaben der Güter- und Interessenabwägung unterliegen, und die Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre. Diese umschreibt einen das Persönlichkeitsrecht zwar tangierenden Bereich, der aber ohnehin von der Öffentlichkeit nicht abgeschirmt werden kann. Da Maßnahmen in diesem Bereich regelmäßig eine geringere Belastungstendenz aufweisen, reduzieren sich die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen entsprechend (Di Fabio in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, EL 39 (Stand: Juli 2001), Art. 2 Rn. 160).

66

Die streitgegenständliche Anordnung des Tragens einer roten Arbeitshose tangiert danach das allgemeine Persönlichkeitsrecht – und zudem die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG – des Klägers. Der Eingriff in den Schutzbereich betrifft jedoch weder die Intimsphäre noch die Privatsphäre des Klägers, da weder seinen Intimbereich betreffende Vorgaben gemacht werden noch im Übrigen in den Bereich seines privaten, von der Öffentlichkeit abgeschirmten Lebensbereichs eingegriffen wird. Betroffen ist vielmehr, da die Anordnung sich auf die äußere Arbeitskleidung – hier konkret streitig: auf deren Farbgestaltung – und allein das entsprechende Auftreten des Klägers im Betrieb und während der Arbeitszeit bezieht, die Sozialsphäre (ebenso generell für nicht auch die Unterwäsche betreffende Bekleidungsvorgaben Brose/Greiner/Preis, Kleidung im Arbeitsverhältnis – Persönlichkeitsrechtliche Schranken arbeitsrechtlicher Regelungen, NZA 2011, 369, 375).

67

Die Beschränkungen des Klägers in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit und der Eingriff in den Bereich der Sozialsphäre des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind zur Überzeugung der Berufungskammer hier durch die gleichfalls grundrechtlich über Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten, entgegenstehenden Rechte der Beklagten gerechtfertigt. Denn die Beklagte hat ihrerseits das Recht, die Organisation des Betriebes und der auszuführenden Arbeiten zu bestimmen. Sie ist gesetzlich zudem nach §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 1, 3, 5, 7 ArbSchG gehalten, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes und zur Prävention gegen Gefahren für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen. Im Rahmen dieser Organisationsfreiheit und schon ausweislich der entsprechenden Zweckvorgabe unter Ziffer 7.1 der Hausordnung hat sie aus Gründen der Funktionalität und der Arbeitssicherheit das Tragen roter Arbeitshosen für den Bereich der Produktion und der Instandhaltung angeordnet. Die damit einhergehende Beschränkung der Freiheitsrechte des Klägers ist von ihm hinzunehmen.

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Denn die Anordnung der Beklagten ist kein Willkürakt, sondern beruht unter anderem – und dies tragend – auf der Erwägung der Corporate Identity sowie der Arbeitssicherheit. Beides sind legitime Ziele und ihre Verfolgung ist vom Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit der Beklagten umfasst. Die Anordnung ist geeignet, die verfolgten Ziele zu erreichen. Das einheitliche Tragen roter Arbeitshosen durch alle Produktions- und produktionsnahen Mitarbeiter der Beklagten führt zu einem einheitlichen äußeren Erscheinungsbild im Betrieb und damit in der Tat zur Formung einer Corporate Identity. Das gilt besonders vor dem – nicht bestrittenen – Hintergrund, dass rot die Farbe des Unternehmensschriftzuges der Beklagten ist und mithin mit ihr in der Außenwahrnehmung verbunden werden kann. Hinsichtlich der Arbeitssicherheit sind rote Arbeitshosen zudem geeignet, diese zu erhöhen. Denn rot ist eine Signal- bzw. Warnfarbe. Diese Behauptung der Beklagten ist zum einen unstreitig, denn auch mit dem pauschalen Bestreiten in der mündlichen Verhandlung, dass das Risiko, von einem Gabelstaplerfahrer übersehen zu werden, mit der roten Arbeitshose signifikant niedriger sei als mit andersfarbigen Hosen, hat der Kläger die Eigenschaft als Signal- und Warnfarbe nicht bestritten. Diese Eigenschaft der Farbe rot kann im Übrigen auch über allgemein zugängliche Quellen wie Wikipedia belegt werden. Zu dem Stichwort „Warnfarbe“ ist dort hinterlegt, dass die Farben Rot, Gelb und Orange solche sind, da sie dem Menschen in der Regel besonders auffallen (vgl. den entsprechenden Eintrag bei Wikipedia zum Stichwort „Warnfarbe“ unter (Link wurde entfernt). Damit korrespondiert, dass die EN ISO 20471 zu Anforderungen und Ausführungen von Warnkleidung fluoreszierendes Gelb, Orange-Rot oder Rot als Hintergrundmaterial von Warnkleidung vorgibt. Unerheblich ist, dass die von der Beklagten zur Verfügung gestellte, rote Arbeitshose mangels fluoreszierender Farbe die besonderen Anforderungen der EN ISO 20471 nicht erfüllen mag. Erheblich ist vielmehr, dass die Beklagte hier bewusst Rot als Signal- und Warnfarbe gewählt hat, weil solche Farben in der Regel besonders auffallen. Da unstreitig in den Werkshallen der Beklagten Gabelstaplerverkehr herrscht und unstreitig auch der Kläger sich im Rahmen seiner Tätigkeit in Bereichen mit solchem Verkehr bewegt, ist die Anordnung zum Tragen einer roten Arbeitshose geeignet, die Arbeitssicherheit zu erhöhen, weil sie die bessere Erkennbarkeit für Gabelstaplerfahrer fördert.

69

Die Anordnung der Beklagten ist zudem erforderlich, denn im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Selbstbestimmungsfreiheit des Klägers mildere, gleich wirksame Mittel zur Umsetzung der von ihr legitimerweise verfolgten Ziele sind nicht ersichtlich. Die Corporate Identity wird durch das Verwenden einer, wie die Berufungskammer im Rahmen der Augenscheinnahme der Ablichtungen Blatt 115 ff. der Akte feststellen konnte, üblichen, zweckmäßigen und durch keinerlei sonstige, bspw. größere Werbebeschriftungen gekennzeichneten roten Arbeitshose mit sehr geringer Beeinträchtigung ggfs. abweichender ästhetischer Empfindungen von Mitarbeitern gefördert. Gegen die Hose als solche, die hier zudem von einem namhaften Markenhersteller stammt, wendet sich auch der Kläger nicht, sondern gegen die Farbe Rot. Eine andere Farbe als Rot vermag jedoch das Unternehmen der Beklagten nicht in gleicher Weise zu repräsentieren. Auch der Kläger behauptet solches nicht. Die Arbeitssicherheit wird ebenfalls nicht durch mildere Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht des Klägers in gleich wirksamer Weise gefördert. Soweit der Kläger hierzu – wie schon ausgeführt pauschal und ohne nähere Begründung – in der mündlichen Berufungsverhandlung die bessere Signalwirkung von Rot gegenüber anderen Farben bestreitet, überzeugt dies nicht. Es ist offensichtlich, dass eine Arbeitshose in Signal- bzw. Warnfarbe wie hier in Rot jedenfalls eine bessere Sichtbarkeit hat als eine solche in grau oder schwarz, wie der Kläger sie bevorzugte. Jeder Teilnehmer im Straßenverkehr kann dies tagtäglich beobachten und nicht ohne Grund gelten deshalb ja auch die Farben Gelb, Orange und Rot und nicht etwa Schwarz oder Grau als Warnfarbe. Mangels näherer Ausführungen des Klägers zu diesem offensichtlichen Sachverhalt kann sein Bestreiten nur als pauschal und ins Blaue hinein und mithin als unbeachtlich betrachtet werden.

70

Schließlich erweist sich die Anordnung des Tragens der roten Arbeitshose während der Arbeitstätigkeit im Betrieb der Beklagten auch speziell vor dem Hintergrund des konkurrierenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers als angemessen und damit insgesamt als verhältnismäßig. Sie schränkt das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht des Klägers lediglich geringfügig ein. Das Persönlichkeitsrecht ist wie aufgezeigt lediglich im Bereich der Sozialsphäre betroffen, einem Bereich, in dem der Kläger sich in der (Betriebs-)Öffentlichkeit bewegt und damit kollidierenden Interessen und Grundrechtspositionen anderer Mitarbeiter und eben auch seines Arbeitgebers begegnet. Dieser mischt sich hier in keiner Weise in die selbstbestimmte Kleidungswahl des Klägers über den Bereich seiner Arbeitsleistung im Betrieb hinaus ein. Dass der Kläger im Betrieb wiederum in seiner Selbstbestimmung eingeschränkt ist, ergibt sich schon aus dem Arbeitsverhältnis als solchem. Dieses ist mit Weisungsrechten und Anweisungen zur Arbeitsleistung, aber auch zum bloßen Ordnungsverhalten verbunden, wie § 106 Satz 1 und 2 GewO zeigt. Dass diese Norm und Weisungsrechte des Arbeitgebers zur Anwendung gelangen, ist jedem Arbeitnehmer bei Abschluss eines Arbeitsvertrages bewusst. Dass ein Arbeitgeber ein Interesse an einem einheitlichen Auftreten und Erscheinungsbild der Belegschaft und einer schnellen Unterscheidung unter anderem gegenüber Fremdarbeitern hat, ist legitim. In welchem Umfang Fremdarbeiter überhaupt zum Einsatz kommen und in welchem Umfang sich Kunden in die Werkshallen begeben, bedarf hier keiner näheren Aufklärung. Dass dies stattfindet, ist unstreitig, streitig sind allein Umfang und Regelmäßigkeit. Unstreitig ist zwar auch, dass der Kläger kein Mitarbeiter mit besonderem Kunden- und Außenkontakt ist. Das Interesse der Beklagten an einer alle Produktions- und produktionsnahen Mitarbeiter und damit auch ihn umfassenden Corporate Identity bleibt davon unbeeinträchtigt bestehen, allein das Gewicht dieses Interesses mag mit dem Vorbringen des Klägers, welches insoweit hier als zutreffend unterstellt wird, deutlich abgeschwächt sein. Insofern muss hier nicht entschieden werden, ob allein dieses Interesse der Beklagten sich dann noch gegen das Persönlichkeitsrecht und das Selbstbestimmungsrecht des Klägers durchzusetzen vermag.

71

Denn entscheidend kommen die Beweggründe der Arbeitssicherheit der Beklagten hinzu. Die roten Arbeitshosen sind deutlich sichtbar und damit gerade aufgrund der Signal- bzw. Warnfarbe Rot besonders geeignet, für eine bessere Erkennbarkeit im Betrieb zu sorgen. Davon hat sich die Berufungskammer im Rahmen der Augenscheinnahme überzeugen können, ebenso davon, dass die hier zur Verfügung gestellten Hosen außer der roten Farbe keine Besonderheiten aufweisen, die geeignet wären, Persönlichkeitsinteressen des Klägers zu beeinträchtigen. Solches macht er auch nicht geltend. Die somit allein umstrittene Farbwahl ist durch Interessen der Arbeitssicherheit begründet, die sich hier mit dem Corporate Identity-Interesse decken, ohne dieses noch gesondert durch bspw. einen Firmenschriftzug zu verstärken, bei dem ein Arbeitnehmer ggfs. Bedenken haben könnte, als „Werbetafel“ „missbraucht“ zu werden. Dabei muss die rote Arbeitshose nicht mit einem bestimmten Grad der Gewissheit und in einem bestimmten Prozentbereich belegbar Arbeitsunfälle verhindern. Fest steht schon aufgrund der Wahl einer Signalfarbe, dass die grundsätzliche Eignung besteht, damit Arbeitnehmer insbesondere für Gabelstaplerfahrer besser erkennbar zu machen und speziell diesbezügliche, mit besonderem Schädigungspotential für Leib und Leben der betroffenen Mitarbeiter verbundene Kollisionen zu vermeiden bzw. das Risiko zu minimieren. Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte arbeitsschutzrechtlich verpflichtet ist, solche Signalfarben bei der von ihr zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung im Hinblick auf den Gabelstaplerverkehr im Betrieb zu verwenden, ist ihr Interesse daran jedenfalls von ihrer Organisationsfreiheit und damit von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt und wegen der damit verbundenen Schutzwirkung zugunsten der Belegschaft von erheblichem Gewicht. Denn natürlich kann ein Arbeitgeber im Schutz- und Sicherheitsinteresse seiner Belegschaft über arbeitsschutzrechtlich zwingende Mindestvorgaben jederzeit hinausgehen und bessere als die mindestens geforderten Schutzstandards vorgeben. Dem gegenüber steht die Weigerung des Klägers, die sich allein auf die Signalfarbe Rot bezieht. Dabei verlangt er nicht einmal alternativ eine andere Signalfarbe, sondern möchte eine Hose der Farbe seiner Wahl tragen, was sich im Zeitraum Oktober/November 2023 auf die Farben Grau und Schwarz beschränkte und damit auf dunkle Farbtöne, die gerade entgegengesetzt zu den Zielen der Beklagten eher geeignet sind, im Betrieb übersehen zu werden. Unabhängig hiervon wäre es der Beklagten aber auch nicht zuzumuten, in einem dermaßen minimalinvasiven Bereich der Betroffenheit von Persönlichkeitsrechten ihrer Mitarbeiter nunmehr jedem individuellen Farbwunsch derselben nachkommen zu müssen beim Stellen einer Arbeitskleidung, für die sie schließlich auch selbst die Kosten trägt.

72

Soweit der Kläger wiederum hiergegen einwenden wollte, er lege keinen Wert auf fremdfinanzierte Arbeitskleidung, sondern wolle einfach nur – auf seine Kosten – seine eigene Kleidung tragen, versucht er damit berechtigte Arbeitssicherheitsinteressen seines Arbeitgebers hinter seine persönlichen Belange zurücktreten zu lassen, obwohl er selbst keinerlei Gründe für seine Weigerung außer seinem Grundrecht als solchem benennt. Selbst auf mehrfache ausdrückliche Frage der Berufungskammer wurde keinerlei z.B. medizinische Begründung einer Ablehnung dieser Farbe genannt. Auch sonst wurde kein Grund angeführt, mit dem man sich nun in der Abwägung mit den Rechtspositionen der Beklagten hätte auseinandersetzen können. Im Gegenteil ist spätestens seit der Berufungsverhandlung infolge der eigenen entsprechenden Einlassung des Klägers unstreitig, dass er rote Arbeitshosen in der Vergangenheit seit Beginn des Arbeitsverhältnisses beanstandungslos getragen hat. Erst nach der Anordnung durch die Neufassung der Hausordnung der Beklagten erfolgte nunmehr eine Verweigerung, die mangels anderweitig nachvollziehbarer Begründung von der Berufungskammer nur dahin verstanden werden kann, dass sie rein „aus Prinzip“ erklärt worden ist. „Aus Prinzip“ setzt sich das lediglich im Bereich der Sozialsphäre betroffene allgemeine Persönlichkeitsrecht jedoch nicht gegenüber der Berufsausübungsfreiheit der Beklagten durch. Die Beklagte kann sich ebenfalls auf eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition berufen und im Unterschied zum Kläger hat sie nachvollziehbare Gründe für ihre Anordnung und ist ihr wiederum nicht zuzumuten, ohne nähere Begründung von ihren Zielen der Corporate Identity und vor allem der Arbeitssicherheit Ausnahmen zuzulassen. Der Kläger hatte die verhältnismäßig geringfügige Beschränkung in seinen Rechten durch Anordnung des Tragens der roten Arbeitshose während der Arbeit mithin hinzunehmen. Die Ausübung des Weisungsrechts durch die Beklagte begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

73

Da die Weisung bereits aus den vorstehend genannten Gründen gerechtfertigt und wirksam ist, kann dahingestellt bleiben, ob die roten Arbeitshosen der Beklagten solche einer bestimmten Schutzklasse speziell im Hinblick auf einen Schutz gegen das Durchstechen von spitzen Gegenständen im Kniebereich sind, ob die von dem Kläger getragene schwarze und/oder graue Hose mindestens denselben Schutzstandard aufweist, ob der Beklagten zuzumuten wäre, jedes Mal zu überprüfen, ob die jeweils vom Kläger privat beschaffte und verwendete Hose die Schutzstandards einhält, sowie ob diese Schutzstandards deshalb nicht von besonderem Gewicht sind, weil die Beklagte – wobei nähere Umstände und Umfang sowie Beschränkungen teilweise streitig sind – unstreitig auch das Tragen von kurzen Arbeitshosen erlaubt. Gleichfalls dahingestellt bleiben kann, ob die roten Arbeitshosen zur Unterscheidung von eigenen und Fremdarbeitern zur Wahrung des Status eines „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ nach der AEO-Verordnung erforderlich sind und die Anordnung des Tragens auch deshalb angemessen ist.

74

bb. Wie schon das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die mit der beharrlichen Weigerung des Klägers zur Befolgung der Weisung der Beklagten zum Tragen der roten Arbeitshose einhergehende Pflichtverletzung negativ prognostiziert. Das Verhalten des Klägers lässt nicht den Schluss zu, er werde in Zukunft von seiner Weigerung Abstand nehmen und sich an die Weisung halten. Belegt wird die negative Prognose auch durch die beiden Abmahnungen vom 03. und 23.11.2023, mit denen der Kläger ausdrücklich auf seinen Pflichtverstoß hingewiesen und zur Befolgung der Anweisung zum Tragen der roten Arbeitshose unmissverständlich aufgefordert worden ist – jeweils verbunden mit der ausdrücklichen Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung. Beide Abmahnungen sind formell einwandfrei und unmissverständlich formuliert und haben dem Kläger die möglichen Konsequenzen seiner Weigerung klar vor Augen geführt. Gleichwohl unstreitig dann nachfolgend bis zur Kündigung weiterhin nicht in der zur Verfügung gestellten roten Arbeitshose am Arbeitsplatz zu erscheinen, begründet die Beharrlichkeit der Verweigerung der Beachtung zulässiger Weisungen und damit die negative Prognose für die Zukunft.

75

cc. Im Interesse der Durchsetzung berechtigter Weisungen, der Aufrechterhaltung der Ordnung im Betrieb und auch zur Wahrung der Betriebsdisziplin war die Beklagte damit berechtigt, wie geschehen am 27.11.2023 ordentlich fristgerecht zu kündigen. Die Interessenabwägung geht – wie schon vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt – auch aus Sicht der Berufungskammer zu Lasten des Klägers aus, und dies eindeutig. Der Kläger hat vorsätzlich beharrlich seine Pflichten, die sich unter anderem aus der Hausordnung ergaben, verletzt. Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint das Verhalten des Klägers hier als geradezu mutwillig. Anstatt die von ihm jahrelang getragene rote Hose zumindest eine weitere, vorübergehende Zeit „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ zu tragen und parallel die streitige Rechtsfrage durch den hier ja auch anhängig gemachten Feststellungsantrag (Ziffer 2) rechtskräftig klären zu lassen und sich dann danach zu verhalten, hat er mehr oder weniger von heute auf morgen generell das Tragen der Arbeitshose eben der Farbe verweigert, die er jahrelang zuvor durchaus getragen hat. Er hat es damit geradezu auf den Konflikt mit seinem Arbeitgeber angelegt. Dieser hatte gar keine andere Wahl als hier zu kündigen, wollte er nicht Teile der von ihm – berechtigterweise – geregelten Betriebsordnung aus der Hand geben und damit auch nach außen in der Betriebsöffentlichkeit signalisieren, dass die Einhaltung der Regeln durchaus im Belieben – zumindest des Klägers – steht. Obwohl hier durchaus an sich ein Grund zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung gegeben wäre, hat die Beklagte das mildere Mittel der ordentlichen Kündigung gewählt und damit insbesondere die bis Oktober 2023 und mithin mehr als 9 Jahre beanstandungslose Betriebszugehörigkeit des Klägers sehr ausgewogen und angemessen berücksichtigt. Ob trotz der nicht unerheblichen Betriebszugehörigkeitszeit des Klägers, die zugleich aber auch das einzig gewichtige Interesse auf seiner Seite darstellt, gleichwohl angesichts der Beharrlichkeit seiner Weigerung die fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre, kann hier unentschieden bleiben. Die ordentliche Beendigung jedenfalls begegnet keinen Bedenken seitens der Berufungskammer. Das Beendigungsinteresse der Beklagten setzt sich aus den vorstehend genannten Gründen jedenfalls unter Einhaltung der Kündigungsfrist gegen das Bestandsinteresse des Klägers durch. Dieser hätte es ohne weiteres und angesichts jahrelanger entsprechender tatsächlicher Handhabung zumutbar in der Hand gehabt, in seinem Arbeitsverhältnis die streitige Rechtsfrage zur roten Arbeitshose klären zu lassen, ohne das Arbeitsverhältnis zu gefährden. Er hat sich für den Weg der kompletten Konfrontation und damit rechtlichen Eskalation der Auseinandersetzung entschieden. Das war der Weg des „Alles oder Nichts“, denn hierauf musste die Beklagte im Interesse der von ihr mit der Anordnung des Tragens verfolgten berechtigten Ziele, der Aufrechterhaltung der Ordnung im Betrieb und auch der Betriebsdisziplin reagieren – und nach zweimalig erfolgloser Abmahnung blieb dann nur noch die Reaktion der ordentlichen Kündigung. Diese führt rechtlich beanstandungsfrei nunmehr für den Kläger zum „Nichts“ und damit zum berechtigten Verlust seines Arbeitsplatzes.

76

2. Zulässig, aber nicht begründet sind die im Antrag Ziffer 1 enthaltenen Leistungsanträge auf Entfernung der Abmahnungen vom 03. und 23.11.2023. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Entfernungsklage schon wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unbegründet ist. Denn auch unabhängig davon hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. Ein solcher Anspruch könnte sich allenfalls in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB ergeben bei falschen Tatsachenbehauptungen, unzutreffenden rechtlichen Würdigungen, pauschalen Vorwürfen statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens, im Falle von Unverhältnismäßigkeit, formell nicht ordnungsgemäßem Zustandekommen oder wenn – speziell im Falle des erheblichen Zeitablaufs – kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an einem Verbleib der Abmahnung in der Personalakte besteht (vgl. BAG vom 23.08.2023 – 5 AZR 349/22, juris, Rz. 64 ff.; BAG vom 27.11.2008 – 2 AZR 675/07, juris, Rz. 16 f.). Diese Voraussetzungen liegen allesamt nicht vor. Die streitgegenständlichen Abmahnungen der Beklagten sind rechtlich in keiner Weise zu beanstanden. Sie beruhen nicht auf unrichtigen Tatsachen oder pauschalen, sondern auf konkret genannten und in der Sache – wie zuvor dargelegt – rechtlich zutreffend bewerteten Vorwürfen. Sie sind zudem sachlich abgefasst und verletzen den Kläger mithin auch insoweit nicht in seinen Rechten. Sie sind schließlich nicht unverhältnismäßig. Vielmehr war die Beklagte berechtigt, auf die nachhaltigen Weigerungen des Klägers mit der entsprechenden Rüge und der Warnung vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu reagieren; kündigungsrechtlich war sie sogar gehalten, dies zu tun, da anderenfalls auch bei unverändert fortbestehender Weigerungshaltung des Klägers der Ausspruch einer Kündigung unter Verhältnismäßigkeitsaspekten kaum haltbar gewesen wäre. Anderweitige Gründe für einen Entfernungsanspruch trägt der Kläger nicht vor, ersichtlich wären solche auch nicht.

77

3. Der zulässige Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht begründet, da es kein Arbeitsverhältnis mehr gibt, in dem der Kläger weiterzubeschäftigen wäre. Auf die vorstehenden Gründe unter II. 1 wird Bezug genommen.

78

4. Soweit der Kläger mit dem Antrag 1 auch ein Feststellungsbegehren verfolgt, ist der Antrag unzulässig. Das hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend festgestellt. Neben dem zulässigerweise verfolgten Entfernungsanspruch hat der Kläger kein weitergehendes allgemeines Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, gerichtlich die fehlende Berechtigung der Abmahnungen feststellen zu lassen. Wären die Abmahnungen „zu Unrecht erfolgt“, worunter der Kläger erkennbar versteht, dass ihm ein zulässiges Verhalten „zu Unrecht“ als Pflichtverletzung vorgehalten wird, wären sie wegen fehlerhafter rechtlicher Würdigung aus der Personalakte zu entfernen. Ein über den Leistungsantrag hinausgehendes Rechtsschutzziel ist mithin bei dem Feststellungsantrag weder erkennbar noch wird es von dem Kläger begründet.

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Unabhängig von der Unzulässigkeit wäre der Feststellungsantrag aus den zuvor schon dargelegten Gründen aber auch unbegründet gewesen. Denn die Abmahnungen der Beklagten erfolgten voll und ganz zu Recht.

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5. Der allgemeine Feststellungsantrag Ziffer 2 ist schließlich ebenfalls unzulässig. Im unbeendeten Arbeitsverhältnis wäre dieser Antrag zulässig und zur Klärung des Streits der Parteien bei zunächst – wenn auch unter „Protest“ – erfolgender Beachtung der Weisung der Beklagten sinnvoll gewesen. Da der Kläger ungeachtet dieses Antrags seine Weigerungshaltung aber beharrlich fortsetzte, trug er das Risiko der rechtlichen Fehleinschätzung, welches sich hier auch realisiert hat. Im nunmehr beendeten Arbeitsverhältnis besteht kein allgemeines Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO mehr. Der Kläger begründet ein solches auch nicht.

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Dass der Antrag bei unterstellter Zulässigkeit jedenfalls unbegründet wäre, ergibt sich aus den rechtlichen Ausführungen unter II. 1 der Entscheidungsgründe, auf die nochmals Bezug genommen wird.

82

III.

83

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

84

IV.

85

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor. Es handelt sich vielmehr um eine kündigungsrechtliche Einzelfallentscheidung auf der Basis der anerkannten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

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