Leitsätze
1. Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer ist infolge Krankheit objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert, wenn er sich in Quarantäne begeben muss, es sei denn, der Arbeitgeber kann von ihm verlangen, im Homeoffice zu arbeiten. Die erforderliche Monokausalität iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist gegeben, wenn die behördlich angeordnete Quarantäne Folge einer Arbeitsunfähigkeit ist.
2. Für den Verschuldensmaßstab des § 3 EFZG ist nicht auf § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG abzustellen.
3. Ein Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist nicht anzunehmen, wenn die Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der empfohlenen Schutzimpfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können (Verschulden vorliegend vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens Ende Dezember 2021 verneint).
4. Ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Fortdauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit anders als durch Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung nachweist.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 07. September 2022 – 3 Ca 530/22 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.019,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01. Februar 2022 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 88 % und der Kläger 12 % zu tragen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte für einen Zeitraum, in dem sich der nicht gegen SARS-CoV-2 geimpfte Kläger aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus und behördlicher Anordnung in Quarantäne befand.
Der Kläger ist seit dem 01. März 2015 als Produktionsmitarbeiter bei der Beklagten, einem Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (im Folgenden: MTV) Anwendung. Die tägliche Arbeitszeit des Klägers beträgt bei einem Stundenlohn von 17,41 € brutto 7,4 Stunden. Das Arbeitsentgelt ist zum Schluss des Kalendermonats fällig.
Der Kläger wurde am 26. Dezember 2021 bei einer PCR-Testung positiv auf das Corona-Virus getestet. Daraufhin erließ die Gemeinde A mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 eine Ordnungsverfügung, wonach gegenüber dem Kläger für mindestens 14 Tage Isolierung (Quarantäne) angeordnet wurde. Die Quarantäne dauerte bis zum Ablauf des 12. Januar 2022. Eine Beschäftigung des Klägers im Home-Office war nicht möglich.
Für die Zeit vom 27. bis zum 31. Dezember 2021 wurde dem Kläger von seinem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Der Kläger litt unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen. Die Beklagte leistete für diese Zeit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Für die Zeit vom 03. bis zum 12. Januar 2022 bemühte sich der Kläger um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Eine solche wurde ihm jedoch mit Verweis auf das positive Testergebnis als auch die Absonderungsanordnung nicht ausgestellt, da nach Auffassung des Hausarztes diese Dokumente ausreichten, um eine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen.
In der Verdienstabrechnung für den Monat Januar 2022 nahm die Beklagte für die Zeit vom 03. bis zum 12. Januar 2022 unter der Position „211 Abzug MoLoBasis“ einen Abzug für 66,6 Stunden in Höhe von 1.019,65 € brutto vom Bruttolohn des Klägers vor. Diesen Betrag machte der Kläger mit Schreiben der IG Metall vom 15. März 2022 erfolglos gegenüber der Beklagten geltend.
Mit einer am 10. Mai 2022 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangenen Klageschrift hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 1.159,51 € brutto nebst Zinsen für den Zeitraum vom 03. bis 12. Januar 2022 in Anspruch genommen. Für die Berechnung der Höhe des Anspruchs multiplizierte der Kläger die in der Verdienstabrechnung für Januar 2022 abgezogenen 66,6 Stunden mit seinem Stundenlohn von 17,41 € brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 3 EFZG. Der Umstand der fehlenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe keine Auswirkungen auf das Bestehen des Entgeltfortzahlungsanspruchs, da die Arbeitsunfähigkeit auch auf andere Weise, zum Beispiel durch ein positives PCR-Testergebnis, nachgewiesen werden könne. Der Kläger habe seine Arbeitsleistung nicht erbringen können, da er erkrankt gewesen sei. Zudem sei es ihm objektiv nicht zumutbar gewesen, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, da er in diesem Fall andere in Gefahr gebracht hätte, ebenfalls zu erkranken. Hilfsweise stehe dem Kläger ein Anspruch aus § 56 IfSG zu. Dieser sei nicht nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ausgeschlossen. Insbesondere führe allein das Unterlassen einer Impfung nicht schon zu einem Anspruchsausschluss, da hierdurch eine Infektion mit dem Corona-Virus nicht hätte vermieden werden können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 1.159,51 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Februar 2022 an den Kläger zu zahlen,
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, den Nettobetrag aus 1.159,51 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Februar 2022 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, es bestünde bereits deshalb kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, weil der Kläger für den streitigen Zeitraum keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe. Ein Erstattungsanspruch nach § 56 IfSG scheide aus, weil der Kläger nicht gegen das Corona-Virus geimpft sei. Wegen seiner fehlenden Impfung könne der Kläger außerdem keine Entgeltfortzahlung beanspruchen, da der Grundsatz von § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG auch bei der Auslegung des Verschuldensbegriffs in § 3 EFZG Anwendung finde.
Mit Urteil vom 07. September 2022 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
Es bestehe kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG. Dabei könne offenbleiben, ob der Kläger in der Zeit vom 03. Januar 2022 bis zum 12. Januar 2022 ohne Verschulden durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war. Denn die Beklagte sei berechtigt, gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG die Entgeltfortzahlung zu verweigern, da der Kläger für die Zeit ab dem 03. Januar 2022 keine ärztliche Bescheinigung vorgelegt habe. Die Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 S. 4 EFZG entfalle nicht aufgrund des vom Kläger vorgelegten positiven PCR-Tests vom 26. Dezember 2021 und der Ordnungsverfügung der Gemeinde Neuenkirchen vom 29. Dezember 2021. Das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten sei auch nicht nach § 7 Abs. 2 EFZG ausgeschlossen, da der Kläger die Nichtausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu vertreten habe.
Ein Vergütungsanspruch des Klägers ergebe sich nicht aus § 616 BGB, da dieser wegen § 26 Ziff. 3 MTV ausgeschlossen sei. Schließlich könne der Kläger den streitgegenständlichen Anspruch nicht mit Erfolg auf § 56 Abs. 1 IfSG stützen, da einem etwaigen Entschädigungsanspruch die fehlende Schutzimpfung des Klägers nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG entgegen stehe. Die Impfeffektivität sei ausreichend für die Annahme im Rahmen einer hypothetischen Kausalität, dass durch die Inanspruchnahme einer Schutzimpfung gegen das Corona-Virus eine Absonderung des Klägers im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG hätte vermieden werden können. Der Hilfsantrag sei bereits unzulässig, da er unbestimmt sei, und im Übrigen auch unbegründet.
Gegen das ihm am 04. Oktober 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 20. Oktober 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 18. November 2022 eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet:
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stünde dem Kläger ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG zu. Er sei aufgrund der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und einer damit einhergehenden symptomatischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die angeordnete Quarantäne schließe den Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung nicht aus. Soweit das Arbeitsgericht darauf abstelle, dass der Kläger seiner Verpflichtung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachgekommen sei, habe es verkannt, dass dies nicht die einzige Möglichkeit zum Nachweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sei. Vielmehr reichten der vom Kläger vorgelegte positive PCR-Test sowie die Ordnungsverfügung der Gemeinde A zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit aus. Bei einer Corona-Infektion genüge zur Annahme einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit schon die symptomlose oder symptomatische Infektion, wenn die Arbeitsleistung – wie hier – nicht im Homeoffice erbracht werden könne. Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers scheitere auch nicht an einem Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten nach § 7 Abs. 1 EFZG. Da der Kläger unstreitig mit dem Corona-Virus infiziert war, stelle sich der Verweis auf die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als bloße Förmelei dar. Jedenfalls sei dem Kläger die Nichtvorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorwerfbar, da er sich bei seinem Hausarzt um die Ausstellung einer solchen bemüht habe, dieser jedoch darauf verwiesen habe, dass die Quarantäneanordnung ausreichend zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit sei. Dies sei dem Kläger auch telefonisch durch das Gesundheitsamt der Stadt A bestätigt worden. Selbst wenn ein Anspruch des Klägers nach § 3 Abs. 1 EFZG nicht gegeben sei, bestünde jedenfalls der hilfsweise geltend gemachte Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 IfSG. Dieser sei nicht nach § 56 Abs. 1 S 4 IfSG ausgeschlossen, da die Impfung gegen das Corona-Virus nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen keinen hinreichenden Schutz vor einer Infektion biete. Insbesondere könne ein Ausschluss der Absonderung durch die empfohlenen Schutzimpfungen nicht mit an Sicherheit grenzender bzw. überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Als Anlage zum Schriftsatz vom 06. Februar 2023 hat der Kläger ein ärztliches Attest seines Hausarztes vom 03. Februar 2023 eingereicht. In diesem wird bescheinigt, dass der Kläger vom 27. Dezember 2021 bis zum 31. Dezember 2021 arbeitsunfähig war und anamnestisch weiter Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. Januar 2022 bestand. Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Bescheinigung über seine Arbeitsunfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum damit vorliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 07. September 2022– 3 Ca 530/22 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.159,51 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2022 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Außerdem weist sie darauf hin, dass nach dem Vorbringen des Klägers eine symptomatische Erkrankung und nicht lediglich eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus bestanden habe. Deshalb habe der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen müssen. Allein die Virusträgereigenschaft und die Quarantäneanordnung seien nicht ausreichend. Eine symptomlose Infektion begründe keinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG. Die Ausführungen des Klägers zum Vorliegen einer Erkrankung sowie seine Bemühungen zur Erlangung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seien pauschal und nicht einlassungsfähig. Das Arbeitsgericht sei deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG berechtigt war, die Fortzahlung des Entgelts zu verweigern. Die vom Kläger nunmehr vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 03. Februar 2023 sei verspätet und nicht ausreichend zum Nachweis des Bestehens einer Arbeitsunfähigkeit. Das erstinstanzliche Gericht habe darüber hinaus mit zutreffender Begründung einen Anspruch des Klägers aus § 56 Abs. 1 IfSG verneint.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll abgegebenen Erklärungen der Parteien ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und nach § 519 ZPO, §§ 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 20. Oktober 2022 gegen das am 04. Oktober 2022 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Frist nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 18. November 2022 begründet worden. Sie ist damit zulässig.
II. Die Berufung hat überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum vom 03. Januar 2022 bis einschließlich 12. Januar 2022 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 1.019,65 € brutto gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG beanspruchen. Darüber hinaus ist Berufung unbegründet.
1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind gegeben. Der Kläger war durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert.
a) Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum krank.
aa) Krankheit i.S.v. § 3 EFZG setzt einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand voraus (vgl. BAG vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 167/16 – Rn. 14). Was regelwidrig ist, bestimmt sich nach dem Stand der (medizinischen) Wissenschaft. Ob der regelwidrige Zustand einer Heilbehandlung bedarf, ist nicht maßgebend (vgl. BAG vom 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 18 f.; HWK-Vogelsang, 10. Auflage 2022, § 3 EFZG; Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rn. 50; a.A. zum Erfordernis der Behandlungsbedürftigkeit: Schaub-Linck, ARHB, 19. Auflage 2021, § 98, Rn. 9; MüKoBGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 4). Danach sind auch Infektionen, die – wie solche mit dem Corona-Virus – unter das IfSG fallen, Krankheiten i.S.d. EFZG, für die der Arbeitgeber zeitlich begrenzt das Risiko trägt, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Krankheit seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann (vgl. BeckOK ArbR-Ricken, 67. Ed, 01. März 2023, § 3 EFZG, Rn. 26; Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Stand Februar 2022, § 3 EFZG, Rn. 58).
bb) Nach diesen Grundsätzen stellt die unstreitige SARS-CoV-2-Infektion des Klägers einen regelwidrigen körperlichen Zustand und damit eine Krankheit i.S.v. § 3 EFZG dar. Inwieweit der Zustand des Klägers einer Heilbehandlung bedurfte, ist nicht maßgeblich. Unstreitig wies der Kläger außerdem – zumindest zu Beginn – Krankheitssymptome auf, wegen der er seinen behandelnden Arzt aufsuchte.
b) Der Kläger war infolge der Krankheit arbeitsunfähig.
aa) Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn ein Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde (vgl. BAG vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 167/16 – Rn. 14). Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer ist infolge Krankheit objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert und kann aufgrund der Erkrankung nicht mehr arbeiten, wenn er sich – wie der Kläger – in Quarantäne begeben muss. Die Krankheit macht ihm damit die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Dies gilt grundsätzlich auch für symptomlos Erkrankte, es sei denn, der Arbeitgeber kann von ihnen verlangen, im Homeoffice zu arbeiten (vgl. Schaub-Linck, 19. Auflage 2021, § 98, Rn. 14; MüKoBGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 10, 11; EfK-Reinhard, 23. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 10; ArbG Kiel vom 27. Juni 2022 – 5 Ca 229f/22 – Rn. 16; a.A. in Bezug auf symptomlos Erkrankte: Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rn. 67; Preis/ Mazurek/ Schmid, NZA 2020, 1137).
bb) Hiernach bestand bei dem Kläger auch im Zeitraum vom 03. Januar 2022 bis einschließlich 12. Januar 2022 Arbeitsunfähigkeit. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum (noch) Krankheitssymptome aufwies. Denn der Kläger konnte aufgrund der infolge seiner Erkrankung ergangenen Anordnung der Absonderung in häusliche Quarantäne die vertraglich geschuldete Tätigkeit bis einschließlich zum 12. Januar 2022 nicht ausüben. Eine Beschäftigung des als Produktionsmitarbeiter tätigen Klägers im Homeoffice war unstreitig nicht möglich.
c) Der Kläger war aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert. Dass sich der Kläger aufgrund der Ordnungsverfügung der Gemeinde A vom 29. Dezember 2021 in dem streitgegenständlichen Zeitraum in häuslicher Quarantäne befand, steht dem nicht entgegen.
aa) Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein (Monokausalität). Der Arbeitgeber wird mit dem Entgelt ohne Gegenleistung nur belastet, wenn der Arbeitnehmer ohne Erkrankung gearbeitet hätte. Das ist nicht der Fall, wenn die Arbeit zumindest auch aus einem anderen Grund nicht geleistet worden ist (vgl. EfK-Reinhard, 23. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 14; BAG vom 28. Januar 2004 – 5 AZR 58/03 – Rn. 90).
Der Arbeitnehmer kann von dem Arbeitgeber dagegen Entgeltfortzahlung verlangen, wenn die behördlich angeordnete Quarantäne Folge einer Arbeitsunfähigkeit ist und nicht nur aufgrund eines Krankheitsverdachts ausgesprochen wurde. Denn in diesen Fällen ist das gesetzliche Beschäftigungsverbot lediglich Ausfluss der Erkrankung, so dass ihm keine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. EfK-Reinhard, 23. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 19a; Schmitt, EFZG, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 66; vom Stein/Rothe/Schlegel–Weber, Gesundheitsmanagement und Krankheit im Arbeitsverhältnis, 2. Auflage 2021, § 23, Rn. 12; BAG vom 26. April 1978 – 5 AZR 7/77 – Rn. 11; ArbG Kiel vom 27. Juni 2022 – 5 Ca 229f/22 – Rn. 20; ArbG Aachen vom 11. März 2021 – 1 Ca 3196/20 – Rn. 36 ff.; ArbG Mainz vom 14. Juli 2022 – 11 Ca 188/22 – Rn. 32).
bb) Hiernach lag die erforderliche Monokausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für die Arbeitsverhinderung vor. Mit PCR-Test vom 26. Dezember 2021 wurde die SARS-CoV-2-Infektion des Klägers festgestellt. Unstreitig war der Kläger in der Zeit vom 27. Dezember bis zum 31. Dezember 2021 aufgrund der Infektion arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger legte der Beklagten für diesen Zeitraum eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor und die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Quarantäneanordnung der Gemeinde A mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 war somit Folge der Corona-Erkrankung und der damit einhergehenden Arbeitsunfähigkeit. Das Hinzutreten der Verpflichtung zur Absonderung ließ die Monokausalität nicht entfallen.
cc) Der Annahme der Monokausalität steht auch § 56 IfSG nicht entgegen.
Bei einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer COVID-19-Erkrankung besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers gemäß § 3 EFZG. Führt diese zur Anordnung von Quarantäne, schließt dies den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht aus. Die Entschädigungsansprüche sind eine Billigkeitsentschädigung der Allgemeinheit für Notfälle und gegenüber dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG subsidiär (vgl. vom Stein/Rothe/Schlegel–Weber, Gesundheitsmanagement und Krankheit im Arbeitsverhältnis, 2. Auflage 2021, § 23, Rn. 12; MüKoBGB-Müller-Glöge, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rn. 25; EfK-Reinhard, 23. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rn. 19a; ArbG Aachen vom 11. März 2021 – 1 Ca 3196/20 – Rn. 47; ArbG Kiel vom 27. Juni 2022 – 5 Ca 229 f/22 – Rn. 21).
III. Der Kläger war durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG traf. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Kläger trotz der öffentlichen Empfehlung einer Schutzimpfung und der bestehenden Impfmöglichkeiten nicht gegen das Corona-Virus impfen ließ.
a) Bei dem Verschulden i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt es sich nicht um ein Verschulden gemäß § 276 BGB, der das Maß an Verhaltensanforderungen des Schuldners gegenüber Dritten bestimmt. Die Entstehung einer Krankheit und/oder die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit betrifft vielmehr die Person des Arbeitnehmers selbst. Es gilt deshalb festzustellen, ob ein „Verschulden gegen sich selbst“ vorliegt. Schuldhaft i.S.d. Entgeltfortzahlungsrechts handelt deshalb nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dabei ist von einem objektiven Maßstab auszugehen. Erforderlich ist ein grober oder gröblicher Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen und damit ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten. Das Risiko der Unaufklärbarkeit der Ursachen einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit und eines möglichen Verschuldens des Arbeitnehmers daran liegt beim Arbeitgeber (vgl. BAG vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 167/16 – Rn. 36; BAG vom 18. März 2015 – 10 AZR 99/14 – Rn. 14; Schmitt, EFZG, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 125 ff.; HWK-Vogelsang, ArbR Komm., 10. Auflage 2022, § 3 EFZG, Rn. 51; EfK-Reinhard, 23. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 23).
b) Zugunsten der Beklagten kann davon ausgegangen werden, dass sich – auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte des Klägers – die Nichtvornahme der empfohlenen Schutzimpfungen als gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten darstellte. Im Dezember 2021 bezeichnete das RKI die aktuelle Entwicklung als „weiter sehr besorgniserregend“ und verzeichnete nach wie vor sehr hohe Fallzahlen und eine hohe Belastung der Intensivstationen durch die Vielzahl schwer an COVID-19 erkrankter Personen. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein großer Teil der Infektionen noch durch die sog. Deltavariante verursacht, wobei die Zahl der Fälle mit Infektion durch die zum damaligen Zeitpunkt neue, als besorgniserregend eingestufte Variante Omikron deutlich anstieg (vgl. wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 23.12.2021, S. 3).
c) Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass das Unterlassen der empfohlenen Schutzimpfung für die Corona-Infektion und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ursächlich war.
aa) Ein Arbeitnehmer handelt schuldhaft, wenn er in einem hinreichenden Verschuldensgrad Vorkehrungen unterlässt, durch die seine Arbeitsunfähigkeit vermieden worden wäre oder nur in zeitlich geringerem Umfang eingetreten wäre (vgl. HWK-Vogelsang, ArbR Komm., 10. Auflage 2022, § 3 EFZG, Rn. 52). Dazu genügt es nicht, wenn das Unterlassen der gebotenen Handlung – hier der Schutzimpfung – das Risiko des Erfolgseintritts lediglich erhöhte. Ob eine Kausalität anzunehmen ist, hängt stets von der jeweiligen Erkrankung und den Schutzwirkungen der entsprechenden Impfungen ab (vgl. BeckOK ArbR-Ricken, 67. Ed. 01. März 2023, § 3 EFZG, Rn. 37 Geyer/ Knorr/ Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Stand Februar 2022, § 3 EFZG, Rn. 91c; ArbG Mainz vom 14. Juli 2022 – 11 Ca 188/22 – Rn. 42; MüKo BGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 42). Insbesondere ist die Gefahr von Impfdurchbrüchen in die Prüfung einzubeziehen, bei denen zwar mit einem leichteren Verlauf der Krankheit gerechnet werden kann, es aber gleichwohl zur Arbeitsunfähigkeit vollständig geimpfter Arbeitnehmer kommt (vgl. MüKo BGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 85).
bb) In seinem wöchentlichen Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 06. Januar 2022, auf den sich auch das Arbeitsgericht bezogen hat, schätzte das RKI die Effektivität einer Grundimmunisierung gegenüber einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung für die vergangenen vier Wochen (Mittelwert der MW 49 – 52) in der Altersgruppe 18 – 59 Jahre mit ca. 62 % ein. Die mit derselben Methode geschätzte Effektivität einer Auffrischungsimpfung gegenüber einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung habe für die vergangenen vier Wochen (Mittelwert der MW 49 – 52) in der Altersgruppe 18 – 59 Jahre bei 89 % gelegen. Im gesamten Zeitraum von MW 5 bis 52/2021 wurden laut RKI insgesamt 538.318 Impfdurchbrüche identifiziert; davon 401.233 bei 18- bis 59-jährigen Personen. Der Anteil der Delta-Variante lag zu diesem Zeitpunkt in Nordrhein-Westfalen noch bei 47,3 %. Der Anteil der neuen Omikron-Variante, bei der die Impfeffektivität deutlich geringer war, betrug ca. 52,4 %. Im wöchentlichen Lagebericht vom 03. März 2022, als bereits die Omikron-Variante vorherrschend war, wurde die Effektivität einer Grundimmunisierung gegenüber einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung in der Altersgruppe 18 – 59 Jahre mit ca. 35 % und die Effektivität einer Auffrischungsimpfung mit ca. 50 % angegeben. Im wöchentlichen Lagebericht vom 28. April 2022 stellte das RKI fest, dass das deutliche Absinken der berechneten Impfeffektivität sowohl der Grundimmunisierung als auch der Auffrischimpfung gegenüber einer symptomatischen Infektion in allen Altersgruppen seit Anfang 2022, also mit Dominanz der Omikron-Variante, auffallend sei.
Damit war auch zum Zeitpunkt der Corona-Infektion des Klägers mit sogenannten Impfdurchbrüchen und symptomatischen Corona-Infektionen bei vollständig geimpften Personen zu rechnen. Dies galt in besonderem Maße wegen der steigenden Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante, die im Zeitraum der Erkrankung des Klägers bereits die Hälfte der Corona-Infektionen ausmachte. Zwar kann keine zu 100 % wirksame Impfung gefordert werden. Jedoch lag im Dezember 2021 die Impfeffektivität in Bezug auf eine symptomatische Erkrankung deutlich unter der einer Masernimpfung. Dass die Ende Dezember 2021 beim Kläger aufgetretene Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der empfohlenen Schutzimpfung mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden (vgl. auch ArbG Mainz vom 14. Juli 2022 – 11 Ca 188/22 – Rn. 38 ff.; Geyer/ Knorr/ Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Stand Februar 2022, § 3 EFZG, Rn. 91c; HWK-Vogelsang, ArbR Komm., 10. Auflage 2022, § 3 EFZG, Rn. 70).
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in Bezug auf den Verschuldensmaßstab des § 3 EFZG nicht auf § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG zurückzugreifen (so auch HWK-Vogelsang, ArbR Komm., 10. Auflage 2022, § 3 EFZG, Rn. 70; ArbG Kiel vom 27. Juni 2022 – 5 Ca 229f/22 – Rn. 23; ArbG Mainz vom 14. Juli 2022 – 11 Ca 188/22 – Rn. 50; a.A.: BeckOK ArbR-Ricken, 67. Ed, 01. März 2023, § 3 EFZG, Rn. 37; MüKoBGB-Müller-Glöge, 9. Auflage 2023, § 3 EFZG, Rn. 4; Krainbring, NZA 2021, 247).
Nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG erhält eine Entschädigung nicht, wer durch die Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung eine Absonderung hätte vermeiden können. Die gesetzliche Wertung in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG kann jedoch nicht gleichgesetzt werden mit einem Verschulden i.S.v. § 3 EFZG. § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG stellt eine Ausprägung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben dar (BT-Drucks. 19/23944, 34), während das Verschulden nach § 3 Abs. 1 S. 1 EZFG den Verstoß des Arbeitnehmers gegen das Eigeninteresse betrifft (vgl. ArbG Kiel vom 27. Juni 2022 – 5 Ca 229f/22 – Rn. 23; ArbG Mainz vom 14. Juli 2022 – 11 Ca 188/22 – Rn. 44 ff.). Zudem ist kein Tatbestandsmerkmal des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG der Gedanke, dass es unbillig wäre, dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer selbst verschuldete Entgeltfortzahlungskosten aufzubürden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nicht nur den Individualinteressen des Arbeitnehmers dient, sondern § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG eine gesetzlich angeordnete Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Krankenversicherung festlegt. Ohne den gegen den Arbeitgeber gerichteten Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG könnte der Arbeitnehmer von der Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld verlangen. § 3 EFZG dient ganz wesentlich der Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen und damit mittelbar aller Beitragszahler (vgl. BAG vom 18. März 2015 – 10 AZR 99/14 – Rn. 15).
d) Ob selbst bei Zugrundelegung des Maßstabs von § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG im Rahmen einer Quasi-Kausalität angenommen werden kann, dass durch die Wahrnehmung der empfohlenen Impfungen die Corona-Infektion des Klägers mit großer Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können, erscheint vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens zum Jahreswechsel 2021/ 2022 und der dargestellten Impfeffektivität zumindest zweifelhaft.
4. Die Beklagte ist nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zu verweigern.
a) Das Recht, die Leistung vorläufig verweigern zu dürfen, steht dem Arbeitgeber zur Seite, soweit und solange der Arbeitnehmer nach Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Inland seine Nachweispflicht schuldhaft verletzt. Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG geführt. Die ordnungsgemäß ausgestaltete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG reicht die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG aus, um dem Arbeitgeber das Recht zur Leistungsverweigerung zu entziehen (vgl. BAG vom 08. September 2021 – 5 AZR 149/21 – Rn. 12).
§ 7 EFZG dient der Sicherung des Arbeitgebers vor ungerechtfertigten Aufwendungen bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG soll sicherstellen, dass der Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer einen hinreichenden Nachweis des Vorliegens krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erhält. Hierbei greift § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer es versäumt hat, die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit durch eine neue ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Jedoch erlischt das auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG beruhende vorläufige Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit anders nachweist. Steht auch für den Arbeitgeber fest, dass der Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig war, so hat dieser auch dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er kein ärztliches Attest vorlegt. Denn das Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG ist dem Arbeitgeber nur deshalb und nur solange gegeben, wie die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für den Arbeitgeber nicht feststeht. Der bloße Formalverstoß – Nichtvorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung – genügt in einem solchen Fall nicht mehr, um ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht zu begründen (vgl. BAG vom 01. Oktober 1997 – 5 AZR 499/96 – Rn. 25; HWK ArbR Komm.-Vogelsang, 10. Auflage 2022, § 7 EFZG, Rn. 4, 6; BeckOK ArbR-Ricken, 68. Ed, 01. Juni 2023, § 7 EFZG, Rn. 5; EfK-Reinhard, 23. Auflage 2023, § 7 EFZG, Rn. 10).
b) Der Umstand, dass der Kläger der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum (zunächst) keine ärztliche Bescheinigung vorlegte, begründet kein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten, da der Kläger das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum auf andere Weise nachwies.
Wegen des positiven PCR-Tests vom 26. Dezember 2021 stand fest, dass der Kläger sich mit dem Corona-Virus infiziert hatte. Mit der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wies der Kläger seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 27. bis zum 31. Dezember 2021 nach. Aufgrund der Absonderungsverfügung der Gemeinde Neuenkirchen vom 29. Dezember 2021 stand für die Beklagte zudem fest, dass sich der Kläger bis einschließlich 12. Januar 2022 in Quarantäne begeben musste. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
Wegen seiner nachgewiesenen Corona-Erkrankung und der mit dieser einhergehenden Quarantäneanordnung war dem Kläger – unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch Krankheitssymptome bestanden – die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung rechtlich unmöglich, da eine Beschäftigung des Klägers im Homeoffice ausschied. Somit wies der Kläger mit den von ihm vorgelegten Bescheinigungen auf andere Weise nach, dass er infolge seiner Corona-Infektion und der mit dieser einhergehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum objektiv an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert war. Angesichts der vom Kläger vorgelegten Nachweise konnte sich die Beklagte nicht allein deswegen auf ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG berufen, weil der Kläger eine ärztliche Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG nicht einreichte.
Zudem legte der Kläger eine Bescheinigung seines behandelnden Arztes vom 03. Februar 2023 vor, mit der dieser das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. Januar 2022 bescheinigte. Vor dem Hintergrund der der Beklagten bereits vorliegenden Dokumente zur Corona-Infektion des Klägers war die vorgelegte Bescheinigung ausreichend, das Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch für den streitgegenständlichen Zeitraum nachzuweisen.
5. Die Berufung hat keinen Erfolg, soweit der Kläger einen über 1.019,65 € hinausgehenden Betrag von der Beklagten beansprucht. Die Beklagte hat unstreitig einen Betrag von 1.019,65 € brutto für 66,6 Stunden in der Verdienstabrechnung des Klägers vom Januarlohn 2022 in Abzug gebracht. Diesen Betrag beanspruchte der Kläger auch in seinem vorgerichtlichen Geltendmachungsschreiben im Rahmen von § 49.2 MTV von der Beklagten. Inwieweit dem Kläger über den vorgenommenen Lohnabzug für 66,6 Stunden hinaus noch ein weitergehender Vergütungsanspruch zustehen soll, ergibt sich aus seinem Vorbringen nicht.
6. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1, 247 BGB. Da der Lohnanspruch des Klägers zum Monatsende des Monats Januar 2022 fällig war, befand sich die Beklagte ab dem 01. Februar 2022 mit der Zahlung in Verzug.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 2. Fall ZPO. Da jede Partei teils obsiegte und teils unterlag, waren die Kosten verhältnismäßig zu teilen.
IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbG für die Beklagte zuzulassen, da sich bei der Frage des Entgeltfortzahlungsanspruchs des nicht gegen SARS-CoV-2 geimpften Klägers im Zusammenhang mit der ergangenen Quarantäneanordnung entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Gründe für die Zulassung der Revision für den Kläger bestehen nicht.